3.4 Führerschein/Fahrtauglichkeit
Mobilität ist ein wichtiger Aspekt für Jugendliche, spätestens mit dem 18. Geburtstag (ab 17 Jahre ist Fahren mit Begleitung möglich) ist der Führerscheinerwerb ein Muss. Umso größer die Enttäuschung, oftmals die Katastrophe, wenn das erstmalige oder auch das erneute Auftreten eines Anfalls dieses Vorhaben zunichtemacht.
Einmal Epilepsie, niemals Führerschein? Diese Aussage ist nicht richtig, hier die nötigen Informationen über Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung bei epileptischen Anfällen.
Die Leitlinien unterscheiden zwei Gruppen von Führerscheinklassen:
Gruppe 1: Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T. Gruppe 2: Führer von Fahrzeugen der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung
Situativer Anfall/Einmaliger Anfall
Bei einem einmaligen Anfall werden zwei Kategorien von Anfällen unterschieden:
a) der einmalige Anfall mit nachvollziehbarem Anfallsauslöser (wie z. B. massiver Schlafentzug, hohes Fieber, akute Erkrankungen des Gehirns, anfallsauslösende Medikamente o. ä.) und
b) der einmalige Anfall ohne feststellbaren Auslöser
Bei beiden Kategorien darf die Untersuchung durch den Fachneurologen (inkl. EEG und Bildgebung) keinerlei Hinweis auf eine grundsätzlich erhöhte Anfallsbereitschaft (Epilepsiedisposition) ergeben.
Sind die anfallsauslösenden Bedingungen (siehe a) nicht mehr gegeben, dann kann der Patient nach 3 Monaten Anfallsfreiheit wieder hinter das Steuer (Gruppe 2: 6 Monate).
Sind keine anfallsauslösenden Faktoren (siehe b) feststellbar, beträgt die anfallsfreie Zeit 6 Monate (Gruppe 2: 24 Monate), bevor die Fahreignung wieder gegeben ist.
Bei Frühanfällen (innerhalb einer Woche) nach einem Schädel-Hirn-Trauma ohne Nachweis einer Schädigung des Gehirns muss das anfallsfreie Intervall 3 Monate (Gruppe 2: 6 Monate) betragen.
Epilepsien (inkl. 1. Anfall mit Hinweis auf Epilepsiedisposition)
Hier ist auch bei medikamentöser Therapie eine anfallsfreie Zeit von 12 Monaten (Gruppe 2: 5 Jahre ohne Antiepileptika) einzuhalten, bevor der Betroffene sich wieder hinter das Lenkrad setzen kann.
Ausnahmen gibt es bei Epilepsien mit ausschließlich schlafgebundenen Anfällen oder Anfallsformen, die die Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigen. Im ersten Fall muss sichergestellt sein, dass die Anfälle mindestens 3 Jahre nur im Schlaf aufgetreten sind, im zweiten Fall ist eine symptomstabile Zeit von 12 Monaten erforderlich. Beide Ausnahmen gelten nur für die Führerscheinklassen Gruppe 1. Keine Kraftfahreignung für Gruppe 2!
Epilepsiechirurgischer Eingriff
Nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff ist ein anfallsfreies Intervall von 12 Monaten notwendig.
Rezidivanfall (= erneutes Auftreten eines Anfalls)
Kommt es nach langjähriger Anfallsfreiheit zu einem (!) Rezidivanfall (oder mehreren Anfällen innerhalb von 24 Stunden), so kann nach einem anfallsfreien Intervall von 6 Monaten schon wieder gefahren werden. Keine Kraftfahreignung für Gruppe 2.
Absetzen der Medikamente
Beim Absetzen von Antiepileptika muss für die Dauer der Reduzierung des letzten Medikaments sowie für die ersten 3 Monate danach eine Fahrpause eingehalten werden. Sind in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten, darf wieder ein Fahrzeug geführt werden. Ausnahmen sind in gut begründeten Fällen möglich. Keine Kraftfahreignung für Gruppe 2.
Kontrolluntersuchungen
Kontrolluntersuchungen sind bei beiden Führerscheingruppen in jährlichen Abständen notwendig, bei gutem Verlauf auch seltener.
Bei der Beurteilung der Fahrtauglichkeit müssen auch die Einflüsse von Medikamenten, Defiziten nach epilepsiechirurgischen Eingriffen oder anderen Erkrankungen berücksichtigt werden. Dann kann eine zusätzliche Begutachtung durch Mediziner anderer Fachrichtungen notwendig sein.
Anfälle anderer Art wie z. B. Synkopen, psychogene Anfälle o. ä. werden in diesen Leitlinien nicht behandelt.
Der Originaltext der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (BASt-Bericht M 115) ist als PDF zum kostenlosen Download erhältlich auf www.bast.de oder kostenpflichtig als gedruckte Version beim Carl Schünemann Verlag GmbH auf www.schuenemann-verlag.de/fachverlag-nw/mensch-und-sicherheit.html.
Wichtig zu wissen:
Wenn ein nicht anfallsfreier Patient trotz Verbot Auto fährt und dann (ohne Anfall) einen Unfall verursacht, liegt ein Verstoß gegen die „Fahrerlaubnis-Verordnung“ vor, die entsprechend geahndet werden kann. Außerdem besteht in einem solchen Fall in der Regel kein Versicherungsschutz!
Tipp:
Buch Epilepsie und Führerschein
(ISBN 978-3936817737)